Freitag, 16. November 2012

Von neu entdecktem Luxus & dem Leben als solches...



Ich kann jetzt einen ganz ungewohnten Luxus wieder genießen, den ich in Deutschland gar nicht als solchen bezeichnen würde: die Toilettenspülung! Was genau der  Handwerker rumgewerkelt hat kann ich nicht sagen aber in beiden Bädern drückt man nach dem man sich erleichtert hat einfach auf so eine Taste und -ihr werdet es nicht glauben- Schwupp di Wupp: Wasser wird automatisch in die Schüssel  geleitet. Wow da hat jemand etwas famoses  ausgetüftelt. Das Papier wird jedoch trotz modernster Technik weiterhin getrennt in einen Eimer entsorgt, sofern man denn welches benutzt. In den letzten tagen hat es häufiger geregnet, in Deutschland hält der Winter, auf den Philippinne die Regenzeit Einzug. Uns, schwitzenden  Europäern, wurden eigentlich auch etwas kühlere Temperaturen versprochen, bisher warten wir darauf vergeblich und sind froh, wenn die 30 Gradmarke nur gering überschritten wird . Eine freudige Nachricht wurde gestern auf der Arbeit verkündet: Teacher Gwen ist schwanger, nach 2 Jahren anstrengender Bemühung wächst ein neues leben in ihr heran. Alle waren und sind immer noch ganz aufgeregt und es werden viele Ratschläge und Erfahrungen in den Mittagspausen geteilt. Dann gibt es noch eine traurige Neuigkeit: der Vater von Leah ist am vergangenem Sonntag nach langer Krankheit und Leiden verstorben. Ich habe ihn nur einmal gesehen und da war er schon nicht mehr in der Lage seine Umwelt wahrzunehmen geschweige denn sich mitzuteilen, es war also eine Erlösung für ihn. Leah hat sich Trauer mäßig vor mir nichts anmerken lassen und war auch am Sonntag zu einem Lächeln in der Lage. Am Samstag ist die Beerdigung, Aurem reist heute extra aus Cebu an um ihr beizuwohnen, auch ihre gesamten Onkel sind im Laufe der Woche angekommen. Hier ist es üblich, dass der Verstorbene nach seinem Ableben präpariert, schick angezogen und in einem offenen Sarg eine Woche lang präsentiert wird. Es gibt spezielle Einrichtungen, in denen man Räume mieten kann, wo der Sarg aufgebaut wird. Es gibt auch die Möglichkeit dort zu Übernachten und es ist für bequeme Sitzgelegenheiten gesorgt. Jeder der möchte hat so die Möglichkeit den Toten ein letztes Mal zu sehen und sich von ihm zu verabschieden. Außerdem wird täglich eine Messe gelesen, in der für das Seelenheil gebetet wird. Für Essen und Trinken ist auch gesorgt, im Raum herrscht auch keine Schweigepflicht und wenn man sich den Sarg einmal wegdenkt, erinnert alles an ein nettes Familienwiedersehen. Mum Leah verbringt den größten Teil des Tages sowie der Nacht dort und nebenbei organisiert sie alles für Samstag. Gestern besuchte ich sie und den Gottesdienst, der Tote sieht aus wie eine Wachsfigur mit zu viel Makeup im Gesicht, ich war leicht schockiert als ich in den Sarg blickte. JC fühlt sich wie zu hause dort, wuselt zwischen ihren Verwandten rum, verteilt Sandwiches und spielt mit den kleinen Kindern. Neben dem Toten sind riesige Blumenkränze aufgebaut und es gibt ein Buch in welches sich jeder eintragen kann.  Ich finde es äußerst interessant solche Traditionen mitzuerleben und zu erfahren wie mit dem Tot umgegangen wird, zum Beispiel wird auch nicht schwarz getragen um Traurigkeit auszudrücken. Zwar sind die Angehörigen betroffen aber im Endeffekt, fokussiert man das Positive, nämlich, dass die Seele nun mit seinem Schöpfer vereint im Himmel ist. Das Leben in diesem Land ist eine wahrhaftige Bereicherung für mich. Indem ich unmittelbar wahrnehme wie sich  Sichtweisen/ Auffassungen im Alltag wiederspiegeln und in Ritualen gefestigt haben, verändert sich auch mein Blick auf „unsere Kultur“. Der Tot und die Beerdigung werden bei uns sehr viel privater behandelt, die Persönlichkeit und das Leben des Verstorbenen werden vergegenwärtigt bevor er andächtig beigesetzt wird, meist im engsten Familienkreise.
Obwohl ich mich mittlerweile gut eingelebt habe und mich größtenteils wohl in meinem Alltag und Leben fühle, durchlebe ich im Moment eine emotional aufwühlende Phase, die man wohl als eine Art Kulturschock bezeichnen kann. Täglich mit Elend sowie Leid in den Straßen konfrontiert komme ich mir selbst fremd vor. Es ist eine ganz andere Form der Armut, nicht zu vergleichen mit der in Europa. Straßenkinder, Obdachlose die im Abfall übernachten, meist halbnackt rumlaufen und sich mit Drogen abstumpfen, unzählige abgemagerte, rumstreunende Hunde und Katzen… Natürlich war ich auf solche „Bilder“ vorbereitet und habe mich emotional weitestgehend abgeschirmt. Denn wie mir mein kluger  Vater mir ins Gedächtnis gerufen hat: Es war vor mir so und wird auch nach mir so sein, daran kann ich nichts ändern. Trotzdem überkommen mich manchmal die Ausmaße, ich habe Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass diese Situation für alle hier selbstverständlich ist und sie trotzdem Lachen und auf ihre verquere Art fröhlich mit ihrem Leben umgehen. Das erfüllt mich mit Gelähmtheit und ich komme mir selber ganz fremd vor, schockiert wie ich das Elend ebenfalls als normal hinnehme. Es ist schwierig diesen geistigen Zustand in angemessene Worte zu kleiden und zu erklären. Mal geht es mir besser, mal schlechter um damit umzugehen versuche ich meinen emotionalen Zustand ob positiv oder negativ zu akzeptieren und meine Gefühle zu zulassen ohne in ihnen völlig abzutauchen… es ist eine Gradwanderung, zwischen zwei widersprüchlichen Sichtweisen auf das Leben und seinen Wert und das Leben als solches ist ja bekanntlich eins der schwierigsten( frei zitiert nach Olaf Mangold).                         
Bis ganz bald eure Nini

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