Ich kann jetzt einen ganz ungewohnten Luxus wieder genießen,
den ich in Deutschland gar nicht als solchen bezeichnen würde: die
Toilettenspülung! Was genau der
Handwerker rumgewerkelt hat kann ich nicht sagen aber in beiden Bädern
drückt man nach dem man sich erleichtert hat einfach auf so eine Taste und -ihr
werdet es nicht glauben- Schwupp di Wupp: Wasser wird automatisch in die
Schüssel geleitet. Wow da hat jemand
etwas famoses ausgetüftelt. Das Papier
wird jedoch trotz modernster Technik weiterhin getrennt in einen Eimer
entsorgt, sofern man denn welches benutzt. In den letzten tagen hat es häufiger
geregnet, in Deutschland hält der Winter, auf den Philippinne die Regenzeit
Einzug. Uns, schwitzenden Europäern,
wurden eigentlich auch etwas kühlere Temperaturen versprochen, bisher warten
wir darauf vergeblich und sind froh, wenn die 30 Gradmarke nur gering
überschritten wird . Eine freudige Nachricht wurde gestern auf der Arbeit
verkündet: Teacher Gwen ist schwanger, nach 2 Jahren anstrengender Bemühung
wächst ein neues leben in ihr heran. Alle waren und sind immer noch ganz
aufgeregt und es werden viele Ratschläge und Erfahrungen in den Mittagspausen
geteilt. Dann gibt es noch eine traurige Neuigkeit: der Vater von Leah ist am
vergangenem Sonntag nach langer Krankheit und Leiden verstorben. Ich habe ihn
nur einmal gesehen und da war er schon nicht mehr in der Lage seine Umwelt
wahrzunehmen geschweige denn sich mitzuteilen, es war also eine Erlösung für
ihn. Leah hat sich Trauer mäßig vor mir nichts anmerken lassen und war auch am
Sonntag zu einem Lächeln in der Lage. Am Samstag ist die Beerdigung, Aurem
reist heute extra aus Cebu an um ihr beizuwohnen, auch ihre gesamten Onkel sind
im Laufe der Woche angekommen. Hier ist es üblich, dass der Verstorbene nach
seinem Ableben präpariert, schick angezogen und in einem offenen Sarg eine
Woche lang präsentiert wird. Es gibt spezielle Einrichtungen, in denen man
Räume mieten kann, wo der Sarg aufgebaut wird. Es gibt auch die Möglichkeit
dort zu Übernachten und es ist für bequeme Sitzgelegenheiten gesorgt. Jeder der
möchte hat so die Möglichkeit den Toten ein letztes Mal zu sehen und sich von
ihm zu verabschieden. Außerdem wird täglich eine Messe gelesen, in der für das
Seelenheil gebetet wird. Für Essen und Trinken ist auch gesorgt, im Raum
herrscht auch keine Schweigepflicht und wenn man sich den Sarg einmal wegdenkt,
erinnert alles an ein nettes Familienwiedersehen. Mum Leah verbringt den
größten Teil des Tages sowie der Nacht dort und nebenbei organisiert sie alles
für Samstag. Gestern besuchte ich sie und den Gottesdienst, der Tote sieht aus
wie eine Wachsfigur mit zu viel Makeup im Gesicht, ich war leicht schockiert
als ich in den Sarg blickte. JC fühlt sich wie zu hause dort, wuselt zwischen
ihren Verwandten rum, verteilt Sandwiches und spielt mit den kleinen Kindern.
Neben dem Toten sind riesige Blumenkränze aufgebaut und es gibt ein Buch in
welches sich jeder eintragen kann. Ich
finde es äußerst interessant solche Traditionen mitzuerleben und zu erfahren
wie mit dem Tot umgegangen wird, zum Beispiel wird auch nicht schwarz getragen
um Traurigkeit auszudrücken. Zwar sind die Angehörigen betroffen aber im
Endeffekt, fokussiert man das Positive, nämlich, dass die Seele nun mit seinem
Schöpfer vereint im Himmel ist. Das Leben in diesem Land ist eine wahrhaftige
Bereicherung für mich. Indem ich unmittelbar wahrnehme wie sich Sichtweisen/ Auffassungen im Alltag
wiederspiegeln und in Ritualen gefestigt haben, verändert sich auch mein Blick
auf „unsere Kultur“. Der Tot und die Beerdigung werden bei uns sehr viel
privater behandelt, die Persönlichkeit und das Leben des Verstorbenen werden
vergegenwärtigt bevor er andächtig beigesetzt wird, meist im engsten
Familienkreise.
Obwohl ich mich mittlerweile gut eingelebt habe und mich
größtenteils wohl in meinem Alltag und Leben fühle, durchlebe ich im Moment
eine emotional aufwühlende Phase, die man wohl als eine Art Kulturschock
bezeichnen kann. Täglich mit Elend sowie Leid in den Straßen konfrontiert komme
ich mir selbst fremd vor. Es ist eine ganz andere Form der Armut, nicht zu
vergleichen mit der in Europa. Straßenkinder, Obdachlose die im Abfall
übernachten, meist halbnackt rumlaufen und sich mit Drogen abstumpfen,
unzählige abgemagerte, rumstreunende Hunde und Katzen… Natürlich war ich auf
solche „Bilder“ vorbereitet und habe mich emotional weitestgehend abgeschirmt.
Denn wie mir mein kluger Vater mir ins
Gedächtnis gerufen hat: Es war vor mir so und wird auch nach mir so sein, daran
kann ich nichts ändern. Trotzdem überkommen mich manchmal die Ausmaße, ich habe
Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass diese Situation für alle hier selbstverständlich
ist und sie trotzdem Lachen und auf ihre verquere Art fröhlich mit ihrem Leben
umgehen. Das erfüllt mich mit Gelähmtheit und ich komme mir selber ganz fremd
vor, schockiert wie ich das Elend ebenfalls als normal hinnehme. Es ist
schwierig diesen geistigen Zustand in angemessene Worte zu kleiden und zu
erklären. Mal geht es mir besser, mal schlechter um damit umzugehen versuche ich
meinen emotionalen Zustand ob positiv oder negativ zu akzeptieren und meine
Gefühle zu zulassen ohne in ihnen völlig abzutauchen… es ist eine
Gradwanderung, zwischen zwei widersprüchlichen Sichtweisen auf das Leben und
seinen Wert und das Leben als solches ist ja bekanntlich eins der
schwierigsten( frei zitiert nach Olaf Mangold).
Bis ganz bald eure Nini
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